Samstag, 24. November 2007

Ehemalige Freiräume in Dortmund: "Der Heidehof" Vortrag und Dokumentation

Cafe MoveYa - Treffpunkt für AnarchoKram
Vorträge, Filme, Diskusionen und lecker veganer Vokü!
Montag, 10.12.2007 in der Zone No. 10, Braunschweiger Str. 10, Dortmund
17:00 h bis 20:00 h

Dokumentation aus:
www.arbeiterpolitik.de/Zeitungen/PDF/1982/arpo-5-1982.p

Am 6.2. besetzten Jugendliche die ehemalige Gewerkschaftsschule der IGM, den Heidehof in Dortmund. Die Schule war am 31. 12. 1981 geschlossen worden. Vorausgegangen war eine längere innergewerkschaftliche Auseinandersetzung über die Weiternutzung. Auf dem Gewerkschaftstag 1977 war der Ausbau der Bildungseinrichtungen der IGM eines der Themen. Einige Anträge forderten speziell den Um- und Ausbau der Bildungsstätte Heidehof in Dortmund. Zu einer Beschlußfassung kam es nicht, da der Vorstand eine Erklärung abgab, die sich für »die Beibehaltung der vorhandenen Bildungskapazitäten einschließlich der Bildungsstätte Heidehof- aussprach. Allerdings ließ der Vorstand sich schon damals ein Hintertürchen offen: Funktionsbestimmungen bezüglich einzelner Einrichtungen sollen im Zusammenhang mit einer Gesamtlösung gesehen und gefunden werden.- Hätte man ernsthaft geplant, den Heidehof, der, 1951 gebaut, den heutigen Ansprüchen an eine Bildungsstätte sowohl im technischen Bereich als auch bezogen auf den Komfort nicht mehr voll gerecht werden konnte, wirklich zu erhalten und umzubauen, hätte man vermutlich die Zeit bis zum Gewerkschaftstag 1980 genutzt, um konkrete Planungen für einen Um- bzw. Neubau, sowie die Funktionsbestimmung des Hauses zu entwickeln. Auf dem Gewerkschaftstag 1980, inzwischen war der Umbau eines Erholungsheimes in Bad Orb in eine Bildungs stätte im Gang, erklärte der Hauptkassierer der IGM, Norbert Fischer, daß man nach wie vor an der Vorstandserklärung des 12. Gewerkschaftstages von 1977 festhalte. Konkret kündigte er an, daß man nach der Fertigstellung der Schule in Bad Orb den Abriß *nicht mehr verwendbarer Gebäude.. der Schule Heidehof durchführen wolle. Erst dann, nach dem Abriß, wolle der Vorstand weitere Entscheidungen auf der Grundlage der Erklärung von 1977 treffen. Mehrere Anträge und etliche Diskussionsbeiträge forderten einen konkreten Beschluß, daß Um- bzw. Neubau sofort nach Fertigstellung der Bildungsstätte in Bad Orb begonnen werden solle. Teilweise wurde auf die Bedeutung des Heidehofes gerade auch für die, betriebliche Arbeit im regionalen Umkreis hingewiesen. Antragskommission und Vorstand gelang es aber, Beschlüsse zu verhindern. Beteuerungen über die zunehmende Bedeutung der Ausweitung und Intensivierung der Bildungsarbeit und der Hinweis auf die Notwendigkeit einer Gesamtkonzeption führten dazu, daß die Anträge als durch die Vorstandserklärung von 1977 für erledigt erklärt wurden. Die Hintertür war zum Scheunentor geworden. Ende 1981 wurde der Bildungsbetrieb im Heidehof beendet und von der IGM ein Abrißantrag für die gesamten Gebäude gestellt. Dieser wurde genehmigt. Die Genehmigung wurde u.a. dadurch erreicht, daß gegenüber der SPD-Fraktion versichert wurde, ein Neubauprojekt werde an dieser Stelle kurzfristig verwirklicht. Im Februar 1982, mittlerweile ist der Heidehof besetzt worden, läßt der IGM-Vorstand die Katze aus dem Sack. Der Sprecher des Hauptvorstandes erklärt (Ruhrnachrichten 13.2.1982): „Es hat nie einen Beschluß gegeben, auf dem Heidehof-Gelände einen Neubau zu errichten. Es gab nur die Erklärung des Vorstandes, die Bildungskapazitäten zu ehalten.. (Laut Aussagen von Besetzern soll das Vorstandsmitglied Preiss ihnen gegenüber bei einem privaten Gespräch im Anschluß an eine Veranstaltung am 4.9.1982 in Gütersloh erklärt haben, daß der Sprecher des Vorstandes sich seine Erklärung im Februar aus den Fingern gesogen habe.) Am 15. 2. gibt Hauptkassierer Fischer bekannt, daß Entscheidungen über einen Neubau frühestens 1984 getroffen würden. Der Vorstand hatte also die Mitglieder und Delegierten mindestens 5 Jahre durch Versprechungen und pauschale Erklärungen von konkreten Beschlüssen abgehalten, um letztendlich das zu tun, was man selbst wollte: Schließung der Bildunasstätte. Bei gleichzeitig ständig vorgetragenen Beteuerungen über die Notwendiakeit der Intensivierung der Bildungsarbeit, um den härter werdenden ökonomischen und politischen Bedingungen gerecht werden zu können, wäre der ausdrückliche Antrag auf Schließung einer Bildungsstätte evtl. auf Widerstand der Delegierten gestoßen.


Wer sind die Besetzer und wie verhält sich die IGM Ihnen gegenüber?


Als klar wurde, daß die IGM in nächster Zeit nicht bauen würde, meldeten sich verschiedene Interessenten zu Wort. Seitens der CDU wurde z. B. eine Zwischennutzung als Asylantenwohnheim vorgeschlagen. In der Uni wurden Nutzungsmöglichkeiten ausgearbeitet, die von einer Weiterbildungsstätte für arbeitslose Jugendliche, Frauenhaus oder Kulturzentrum bis zur kommerziellen Nutzung als Hotel führten. Ende Januar wurde in einer anonymen Anzeige in den Ruhrnachrichten Wohnraum in den Gebäuden angeboten. Vorsorglich informierte die IGM die Polizei. Zu einer Hausbesetzung kam es jedoch nicht. Die erfolgte eine Woche später. Vorwiegend Jugendliche hatten die Gebäude besetzt, um in ihnen zu wohnen und Cafe, Kulturzentrum und Werkstätten zu errichten. Seitdem fand manche kuIturelle,aber auch politische Veranstaltung im Heidehof statt, seien es Musikveranstaltungen, eine 1. Mai-Fete, an der auch Dortmunder Gewerkschaftskollegen teilnahmen, oder kürzlich ein Kontrastprogramm anläßlich der 1100-Jahr-Feier der Stadt. Bisher haben ca.13000 Menschen an den Veranstaltungen im Heidehof teilgenommen. Anfang März ließ die IGM Teile der Gebäude einreißen. Der öffentliche Widerstand gegen die Abbruchpläne der IGM wurde größer: Es bildete sich ein Patenkreis für den Heidehof. vorwiegend aus gewerkschaftlichen Intellektuellen; verschiedene örtliche Gewerkschaftsgliederungen solidarisierten sich mit den Besetzern (GEW, ÖTV); die Vertrauensleute aller 3 Hoesch-Werke forderten den Vorstand auf, .,den beabsichtigten Abriß bis zum Vorliegen konkreter Bebauungspläne zu verschieben, wobei u.a. auch darauf verwiesen wurde, daß die IGM in der derzeitigen politischen Situation und wegen der Schwierigkeiten mit der Neuen Heimat keine öffentliche Auseinandersetzung über Grundstücksspekulationen leisten könne; die IGM-Stadtteilgruppe Dortmund-Süd forderte den Vorstand auf, einen bis zum Baubeginn befristeten Mietervertrag mit den Nutzern des Heidehofes abzuschließen; Hunderte Unterschriften kamen bei einer Unterschriftensammlung unter Gewerkschaftern zusammen, bei derebenfalls ein Nutzungsvertrag seitens der IGM gefordert wurde; die Dortmunder SPD-Fraktion forderte den IGM-Vorstand zu Gesprächen mit den Besetzern auf. Die IGM ließ sich auf keine Gespräche mit den Nutzern des Heidehofsein. Auf ca. 20 Briefe wurde nicht geantwortet. Auch auf Vermittlungsversuche, am 2.6. durch den Rektor der Uni, wurde nicht reagiert. Stattdessen machte der IGM-Vorstand den Vorschlag, das Gelände der Bevölkerung als öffentliche Parkanlage zur Verfügung zu stellen, ein sicherlich nicht ernst gemeinter Vorschlag, wenn man berücksichtigt, daß das Gelände in einem Villenviertel und der Wald in unmittelbarer Nähe liegt. Der nächste Vorschlag war der, daß die Stadt über einen Nutzungsvertrag verhandeln sollte. Die Stadtverwaltung lehnte ab, bot sich aber an, zwischen IGM und Besetzern zu vermitteln. Die Nutzer wandten sich sogar mit einem Vertragsentwurf an die IGM, in dem ein klares Nutzungskonzept genannt wurde und ein Vertragsende bei Baubeginn vorgesehen war. Die IGM reagierte nicht. Erst im Juli wurde die IGM aktiv. Sie ließam 20.7.dieStrom- und Wasserversorgung des Hauses kappen und untersagte den Stadtwerken den Abtransport des Hausmülls. Dieser Zustand besteht immer noch. Damit wurden große Teile des Kulturprogramms und der Betrieb von Werkstätten weitestgehend unmöglich gemacht. Es kam zu weiteren Solidaritätserklärungen z. B. der Falken, der Jusos, der Jungdemokraten, des Personalrats der Stadtverwaltung. Unter Gewerkschaftsmitgliedern wurden erneut ca. 500 Unterschriften gesammelt, um den IGM-Vorstand aufzufordern, einen Nutzungsvertrag abzuschließen. Vor dem Gewerkschaftshaus in Dortmund und der IGM-Hauptverwaltung in Frankfurt wurde Müll aus dem Heidehof abgeladen, von den Heidehofbewohner in einem Brunnen der Dortmun der Innenstadt gebadet, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Mitglieder des Patenkreises des Heidehofes ketteten sich vor dem IGM-Haus in Frankfurt an. Beschäftigte der IGM-Hauptverwaltung solidarisierten sich mit ihnen und versorgten die Protestierenden. Erstmals fand sich daraufhin E. Loderer zu einem Gespräch bereit und machte die Zusage, daß vor der Vorstandssitzung am 13. und 14. 9. 1982 nichts geschehen würde.


Was sind die Beweggdinde des IGM-Vorstandes für sein Vorgehen?

Die IGM dürfte zwei Motive haben. Zum einen sind Gewerkschaftsvorständen Initiativen von unten meist suspekt. Dazu kommt, daß der DGB und die IGM sich bisher weitestgehend weigerten, Arbeitslose in Gruppen zu organisieren. Die meisten Arbeitsloseninitiativen sind ohne Zutun des DGB entstanden und wurden von diesem nicht anerkannt. Arbeitslose Mitglieder wurden und werden als Einzelmitglieder geführt. Erst seit dem letzten DGB-Kongreß deutet sich ein langsames Umdenken an. Die Arbeitslosen wurden nicht organisiert, da man befürchtete, daß sie ein Unruhefaktor innerhalb der Gewerkschaften darstellen würden. Jetzt organisieren sich diese Arbeitslosen selbst und versuchen, alternative Lebens- und Arbeitsformen zu entwickeln. Auch die Besetzer des Heidehofes sind zum großen Teil arbeitslose Jugendliche. Der Aufbau alternativer Werkstätten ist sicherlich nicht der Weg zur Überwindung des Kapitalismus. Für diejenigen, die von dieser Gesellschaft ausgestoßen wurden, ist es jedoch eine Möglichkeit, eine Perspektive zu behalten. Für die Gewerkschaftsvorstände sind solche Gruppen deshalb gefährlich, weil sie die reine Wachstumsideologie, die auch von führenden Gewerkschaftern vertreten wird, in Frage stellen. Das könnte bei breiteren Teilen der Mitgliedschaft zu Fragen in dieser Beziehung führen. Für den IGM-Vorstand dürfte dies einer der Gründe sein, warum man sich weigert, mit den Nutzern des Heidehofes überhaupt zu reden. Das zweite Motiv der IGM dürfte ein finanzielles sein. Das Grundstück des Heidehofes liegt in einer der besseren Wohngegenden Dortmund. Es ließe sich ein Verkaufspreis von zwischen 10 und 15 Mio. DM erzielen. Spekulationen mit dem Grundstück dürften durch die Besetzung und die innergewerkschaftliche Solidarisierung schwieriger geworden sein. Durch eine Verstärkung der Solidarisierung dürfte sie unmöglich werden. Deshalb ist es notwendig, in Resolutionen den IGM-Vorstand aufzufordern, auf den Verkauf des Heidehofes zu verzichten, sofort mit den Planungen für einen Um- bzw. Neubau zu beginnen und mit den derzeitigen Besetzern einen Zwischennutzungsvertrag abzuschließen.


Die Nacht nach der Heidehof-Räumung
Text und Musik: Pit Budde

Das war nicht das erste Mal
Und es wird nicht das letzte Mal sein
Das ich zusehn muß
Wie ein Teil von mir
Zerschlagen wird
Doch wir haben es satt
Uns nur bei Beerdigungen zu treffen
Wir vergessen keinen Schlag, keinen Tritt
Nichts bricht unsern Widerstand
Eines Tages werden wir vor euch stehn
Und ihr mit dem Rücken an der Wand!

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