Artikel erschienen in der bzs am 28. Juni 2006
An der Uni- München beehrte der Cartellverband katholischer Studentenverbindungen (CV) die Gedenkstädte der Geschwister Scholl mit einem Besuch. Die StudentInnenvertretung sah nicht nur tatenlos zu, sondern ging auch noch mit sanfter Gewalt gegen Anti-Gebühren-Aktive und AntifaschistInnen vor.
Am Abend des 25.Mai trafen etwa ein Dutzend AntifaschistInnen im Lichthof der Münchner Universität ein. Ihr Interesse galt dabei nicht nur der solidarischen Unterstützung der etwa 20 StudiengebührengegnerInnen, die nach dem Vorbild studentischer Protestcamps unter dem Namen „Uni-WG“ mit Möbeln und Schlafsack in der Uni campierten. Sie wollten auch das im Lichthof der Uni aufgestellte Denkmal für die antifaschistische Widerstandsgruppe Weiße Rose und das Angedenken ihrer ermordeten Mitglieder davor schützen, von katholischen Verbindungsstudenten verhöhnt zu werden – wie ein Teilnehmer auf dem Internetinformationsdienst indymedia erklärte.
Strammstehen gegen rechts
Und in der Tat ist in höchstem Maße fraglich, ob der dann folgende Auftritt des Cartellverbands katholischer deutscher Studentenverbindungen (CV) dem Andenken ermorderter AntifaschistInnen gerecht wird. Uniformiert, in militärischer Formation und zum Teil bewaffnet nahmen etwa 800 Verbinder und alte Herren im Lichthof Aufstellung zu Kranzniederlegegung gemäß militärischem Zeremoniell. Neben der Art der Ehrung bleibt auch noch, nach den Ehrenden zu fragen. Schließlich hatten die alliierten Befreier die Studentenverbindungen nicht ohne Grund verboten, zu eng war deren Handeln bis Mitte der dreißiger Jahre Teil des Siegeszuges der Nazis gewesen.
Ermöglicht wurde dieser Auftritt vom AStA der Uni München, der die Barrikaden aus den Möbeln der »Uni-WG« wieder forträumte, mit denen die Antifas und einige GebührengegnerInnen das Denkmal zu schützen versuchten. Und es war wohl der AStA, der die Unileitung zu Hilfe rief, die schließlich zusammen mit der Polizei auch eine Sitzblockade verhinderte – unter Beifall der gewählten StudentInnenvertreterInnen. Die Antifas müssen sich schließlich – nach Aussage von Antifas „von der stellvertretenden AStA-Vorsitzenden nur widerwillig geduldet“ darauf beschränken, mit einem Transparent gegen den Auftritt der Verbinder zu protestieren. Fünf Antifas gerieten in die Fänge des polizeilichen Unterstützungskommando (USK) und müssen Anzeigen wegen Hausfriedensbruch befürchten.
Ein weiterer AstA-Skandal?
Damit steht bereits zum vierten Mal innerhalb eines Jahres eine StudentInnenvertretung wegen ihres fragwürdigen Umgangs mit der extremen Rechten in der Kritik. So sorgte der AStA der Universität zu Köln für Aufsehen, als AStA-Projektleiter Thomas Hartenfels vom Kölner RCDS nachgewiesen werden konnte, seine Vergangenheit als Nazi-Aktivist verschwiegen und nie mit ihr gebrochen zu haben. Immerhin begrenzte der AStA den Schaden durch eine zügige Entlassung Hartenfels. Zu einer solchen war die StudentInnenvertretung der FH Augsburg nicht bereit, als ihr nachgewiesen werden konnte, dass sie mit Alexander von Webenau einen langjährigen und hochrangigen Funktionär der NPD in ihren Reihen hatte. Von Webenau solle lediglich nicht wiedergewählt werden, könne seine Amtszeit aber zu Ende bringen, so die StudentInnenvertretung. Einem Ausschluss aus der bayrischen LandesAStenKonferenz kam sie durch Austritt zuvor. Da war das Festhalten an einem Nazi wohl wichtiger als gemeinsame Arbeit gegen Studiengebühren. Weniger gravierend, aber gleichfalls ohne jegliche Konsequenzen bleib bislang ein vom AStA der Bochumer Ruhr-Universität zu verantwortende Datenschutzskandal. Auf bislang ungeklärte Art und Weise gelangten vertrauliche Informationen über AntifaschistInnen an die Bochumer NPD. Die Forderung von zahlreichen StudentInnenvertretungen, Hochschulgruppen und Gliederungen eines Parteijugendverbandes nach Rücktritt des AStA-Vorstandes blieb folgenlos, da in Bochum turnusmäßig ein neuer AStA gewählt wurde. Ein Appell der bochumer studentInnenzeitung bsz, die StudentInnenschaft der RUB müsse – vertreten von wem auch immer – Verantwortung für der Skandalübernehmen, verhallte bislang ungehört.
Ausschlüsse gegen Antifas?
Der AStA der Uni München zeigt sich bislang vor allem kopflos . Im Anschluss an die Vorfälle im Lichthof der Uni beschloss der AStA gar in einer regulären Sitzung, Ausschlussverfahren aus der StudentInnenschaft gegen die AntifaschistInnen zu prüfen. Auch wenn dieser Beschluss wohl nicht ausgeführt werden wird, berichten AktivistInnen aus München, der AStA sei weit davon entfernt, Fehler einzugestehen und sich bei den AntifaschistInnen zu entschuldigen. Immerhin lässt der AStA der Uni München keinen Zweifel an seiner ablehnenden Haltung zu studentischen Verbindungen, er plant verbindungskritische Veranstaltungen und möchte eine neue Informationsbroschüre für ErstsemesterInnen erstellen. Die Fehler des Münchner Uni-AStA waren auch schon einige Tage zuvor eingeleitet worden und stellen im Wesentlichen Reaktionen auf das skandalöse Verhalten der Unileitung dar. Diese hatte, Berichten von AStA-Aktiven zufolge, die Veranstaltung des CV am Denkmal genehmigt und die Uni-WG sollte den VerbinderInnen weichen. Alte Herren, die Studenten spielen statt echtem Engagement von StudentInnen. Den AStA-Aktiven zufolge tauchten CVer mit einem entsprechenden Schreiben der Uni beim AStA auf, woraufhin der AStA sich an die Uni wandte, um einen Kompromiss auszuhandeln. Das Ergebnis war dann fein austariert: Die Uni-WG bleibt, muss sich aber auf eine Hälfte des Lichthof beschränken. Der AStA sagte zu, dass Störungen, der Verbinder-Veranstaltung, selbst Missfallensbekundungen, unterbleiben sollen. Er stand dabei unter dem Eindruck massiver Drohungen der Unileitung. Nicht nur die Uni-WG war in Gefahr, sondern auch das studentische Sommerfest, eine Haupteinnahmequelle für den AStA. Und dies würde die Unileitung „ausfallen lassen“, so die unverholene Drohung der Unileitung. Diese Zugeständnisse wurden im Vorfeld telefonisch dem CV gegenüber bestätigt, was auf dessen Homepage als „’Gentlemen Agreement’ zwischen CV, AStA und Antifa“ abgefeiert wird. Wobei es natürlich fraglich ist, ob ein Handeln unter solchem Druck überhaupt als „Agreement“ anzusehen ist.
„Solche Vereinbarungen sollten in dieser Form eigentlich nicht zustande kommen“, kommentierte jedenfalls ein Aktivist des AStA der gleichfalls in München ansässigen Katholischen Stiftungsfachhochschule (KSFH):. „Und wenn? Dann darf eine Studierendenvertretung nicht gegenüber ihren eigenen Mitgliedern die Durchsetzung einer solchen Vereinbarung ernsthaft einfordern.“ Sinnvoller wäre gewiss ein gemeinsames Vorgehen von AStA, Antifas und weitere Verbündeten gegen die Hochschulleitung.
Verbinder sind auch nur Österreicher
Beteiligt an der „Ehrung“ im Lichthof war neben dem deutschen CV auch seine Schwesterorganisation ÖCV, denn beide Verbände feierten ihr 150jähriges Bestehen. Die Wege der deutschen CV-Verbindungen hatten sich erst 1933 von denen der Österreicher getrennt, als die katholischen Organisationen in Deutschland ihren Frieden mit den neuen Nazi-MachthaberInnen machten und der CV wie andere katholische Organisationen bis zur Auflösung gleichgeschaltet wurde – einschließlich Einführung des Führerprinzips und Versuchen der Annäherung an den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund.
In Österreich hingegen standen Kirche und Regierung auf allerbestem Fuß miteinander, und entsprechend blieben der dortige CV noch bis 1938 „Lieferant“ für politisches Führungspersonal. Dem tat auch keinen Abbruch, dass sich 1932-1934 in Österreich der antidemokratische „Ständestaat“ etablierte. Das Parlament und das Verfassungsgericht wurden ausgeschaltet, eine Pressezensur eingeführt, die sozialdemokratische und die kommunistische Partei verboten, politische Gegner in „Anhaltelagern“ inhaftiert. Der ÖCV war mit den Eliten dieses „austrofaschistischen“ Regimes eng verflochten. ÖCVer stellten in verschiedenen Gremien des Regimes einen hohen Anteil, im Bundesrat soll er bei 90 Prozent gelegen haben. Im Gegenzug räumte der ÖCV dem Regierungschef Dollfuß ein Mitspracherecht bei der Besetzung von ÖCV-Funktionen ein. Die Nazis verboten die ÖCV-Verbindungen schließlich nach dem deutschen Einmarsch. Dass dem Andenken der Widerstandskämpfern der Weißen Rose durch das Auftreten von CV und ÖCV an der Uni eine Würdigung widerfährt, darf zurecht bestritten werden.
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