Samstag, 27. Oktober 2007

Frankreich: Gemeinsamer Appell zum neuen Europäischen Vertragsprojekt

Im Jahr 2005 haben die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land und in den Niederlanden die von den Staats- und Regierungschefs bereits beschlossene Europäische „Verfassung“ abgelehnt. In mehreren Ländern ist sie bisher nicht ratifiziert worden. Ende Juni 2007 haben die Staats- und Regierungschefs im Eiltempo ein Europäisches Vertragswerk auf den Weg gebracht, ohne öffentliche Debatte in der Bevölkerung, ohne Referendum.

Entgegen den Äußerungen von Nicolas Sarkozy handelt es sich dabei nicht um einen „Mini-Vertrag“. Unter anderem Namen und in anderer Form wird die Substanz der seinerzeit zurückgewiesenen Verfassung erneut präsentiert.

Entgegen den Äußerungen von Nicolas Sarkozy bleibt die „Anerkennung der offenen Marktwirtschaft, in der sich der Wettbewerb frei entfalten kann“, der Eckpfeiler des Europäischen Gebäudes, von dem alles andere abhängig ist. Keine der grundlegenden Forderungen, die in der Debatte um den Verfassungsvertrag erhoben worden waren, wurde berücksichtigt: Öffentlicher Dienstleistungssektor, Gleichheit von Mann und
Frau, Trennung von Kirche und Staat, Erhalt und Schutz der Umwelt und der nicht erneuerbarer Ressourcen, ein soziales Europa, Ablehnung von freiem Kapitalverkehr und Steuerdumping, Vormachtstellung und Mission der Europäischen Zentralbank (EZB), Politik des Friedens, demokratisches Funktionieren der Europäischen Union. Nichts von allem. Die öffentlichen Dienstleistungen werden weiterhin beherrscht von den Gesetzen der Konkurrenz. Der Verweis auf das „religiöse Erbe“ bleibt erhalten. Keiner der Punkte, die eine Verbesserung der sozialen Regelungen verhindern, ist entfernt worden. Umweltpolitik wird mittels ultraliberalistischer ökonomischer Prinzipien wirkungslos gemacht. Die Kompetenz der EZB bleibt die gleiche.

Die Einbindung der europäischen Verteidigung in die Politik der NATO, das heißt die Unterordnung unter die Vereinigten Staaten und die Militarisierung Europas, wird bekräftigt. Die Charta der „Grundrechte“, die an sich schon recht unzureichend ist, bleibt ohne jegliche praktische Relevanz. Und, wie durch den Verfassungsvertrag beabsichtigt, wird das gegenwärtige zutiefst undemokratische institutionelle System, nicht wirklich umgewandelt. Kurz gesagt, man findet alles, was dazu angetan ist, aus Europa eine Freihandelszone und ein Fördergebiet neoliberalistischer Politik zu machen anstatt dass es sich demokratisch gestaltet und auf einen neuen Weg hinweist, weg von der uneingeschränkten Herrschaft der
Multis und der Finanzmärkte.

Wir sind entschiedene Verfechter eines Europa, das sich von der Kontrolle der Finanzmächte frei macht, das aggressive Herrschaftsdoktrinen und militärische Interventionen ablehnt und sich einsetzt für einen Wandel in den internationalen Beziehungen, insbesondere zu den Ländern des Südens. Wir wollen ein Europa, das basiert auf der Zurückweisung jeglicher Diskriminierung, auf der Anerkennung der kulturellen Vielfalt und auf der Angleichung nach oben der sozialen Rechte, der Umweltnormen und des Verbraucherschutzes. Wir wollen ein Europa, das gegründet ist auf den Willen und die Souveränität seiner Bevölkerungen. Aus diesen Gründen lehnen wir den neuen Vertrag ab. Und wir schlagen folgendes Verfahren vor:
Es soll ein Grundlagentext erarbeitet werden im Ergebnis eines demokratischen, breiten und transparenten Prozesses. Diesem folgt dann die Ratifizierung per Referendum in den einzelnen Staaten.

Wir rufen all diejenigen, die ein solches Europa wollen, auf, aktiv zu werden, ihre Initiativen zu bündeln und die Kräfte zu vereinen, um so den tatsächlichen Inhalt des neuen Vertrages deutlich zu machen, um dieses Täuschungsmanöver anzuprangern und um eine neue Perspektive zu schaffen für ein wahrhaft demokratisches, soziales ökologisches und solidarisches Europa.

Um zu verhindern, dass die Bevölkerung ‚mauert’, will Sarkozy den neuen Vertrag auf parlamentarischem Wege beschließen lassen. Nichts spricht dafür, dass er das schafft. Die Bürger und die Abgeordneten, wie immer sie am 29. Mai 2005 auch gestimmt haben mögen, müssen verhindern, dass die Demokratie und der Volkswillen brüskiert werden und ein neuerliches Referendum verlangen.

16. Oktober 2007
Erstunterzeichner: AC ! - AlterEkolo - Alternatifs - ATTAC - Cactus La Gauche - Confédération Paysanne -Coordination des Groupes de Femmes Égalité - Coordination nationale des collectifs antilibéraux -Démocratie & Socialisme - Fondation Copernic - Forces Militantes - LCR - Marches européennes - MARS Gauche Républicaine - PCF - PCOF - Pour la République Sociale - Réseau Féministe Ruptures - Union desFamilles Laïques - Union syndicale Solidaires ...

Französischer Text : http://www.france.attac.org/spip.php?article7603
Übersetzung: Annegret Seiffert, coorditrad.attac.org und SiG-Redaktion

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