Donnerstag, 15. Mai 2008

8. Antifaschistischer Abendspaziergang in Bern am 31.Mai

aus der Fauchrundmail 14.5.2008

Als Antwort auf die zunehmenden Übergriffe von Neonazis im Bahnhof und dessen näheren Umgebung auf AusländerInnen und junge Punks begannen wir im Jahr 1999 unseren Widerstand zu organisieren. Wir griffen zur Selbsthilfe: begleiteten einander zu den Zügen, intervenierten bei Übergriffen, organisierten Flugblatt- und weitere Aktionen sowie im Jahr 2000 den ersten antifaschistischen Abendspaziergang. Besonders diese Abendspazier-gänge, an welchen zeitweise mehrere tausend Personen teilnahmen, wurden zu einer Tradition, und dies, obwohl nach dem ersten Abendspaziergang nie mehr ein Bewilligungsgesuch eingereicht wurde. Diese Tradition wurde im letzten Jahr unterbrochen, um Raum und Zeit zu schaffen für eine breite Palette anderer Aktionsformen. Im letzten Jahr konnte die gesamte antifaschistische
Bewegung dann auch viele Erfolge verbuchen: die gehackten PNOS-Mails, der Stadtrundgang durch Bern, das antifaschistische Bürostuhlrennen, das Kasperlitheater, die vielen Demos, das Grümpelturnier in Solothurn, Konzerte, Aktionstage, das Antifa-Festival und die Verhinderung des SVP-Marsches in Bern dürften euch noch in guter Erinnerung sein. Gestärkt aus den positiven Erfahrungen der letzten Monate, aus dem Bewusstsein, dass Widerstand auf der Strasse immer
noch notwendig ist, werden wir in diesem Jahr wieder mit einem Abendspaziergang auf der Strasse präsent sein. Denn noch wartet viel Arbeit auf uns: Rechtsextreme und reaktionäre Ideen erhalten hierzulande zunehmend Auftrieb. Nationalismus und Konkurrenzdenken sind weit verbreitet. Dabei sind es nicht die offensichtlichen
Rechtsextremen und Neonazis, die das grösste Problem darstellen. Auch wenn aus diesen Kreisen eine erhebliche Gefahr für AusländerInnen und Andersdenkende ausgeht.

Rechte Terrorjungs...
Denn auch im letzten Jahr kam es zu diversen Rechtsrock-Konzerten, Neonazi-Aufmärschen und rassistischen Übergriffen. Im vergangenen Jahr nahmen die Übergriffe sogar eine bislang unbekannte Qualität an. So wurden beim Brandbombenanschlag auf die voll besetzte Grosse Halle während des antifaschistischen Festivals Zeitzünder eingesetzt. Neu ist hier vor allem der Schritt zu planmässig vorbereiteten Attentaten mittels Zeitzünder. Dass Neonazis es durchaus darauf anlegen ihre GegnerInnen zu ermorden, ist hingegen leider auch für die Schweizer Szene nichts neues. Lebensgefährliche Schusswaffenangriffe und
Brandanschläge gegen AntifaschistInnen und AusländerInnen oder Racheakte an rechtsextremen Aussteigern gab es in den vergangenen Jahren schon zur Genüge. Andererseits gelang es den Neonazis im letzten Jahr glücklicherweise nicht, grosse Sprünge zu machen, die Szene ist nicht gross gewachsen und die meisten ihrer
Demo-Mobilisierungen wurden eher schlecht besucht. Nicht zuletzt dank dem Widerstand der antifaschistischen Bewegung.

...braune Parteien...
Weit Besorgnis erregender ist dagegen die Entwicklung in der Schweizerischen Parteienlandschaft. Die SVP steht der PNOS in Sachen Rassismus inzwischen in nichts mehr nach. Die offen rassistischen ?Schäfchen-Plakate? wurden und werden von (neo-) faschistischen Parteien in ganz Europa kopiert. Während im Ausland selbst die
bürgerliche Presse diese Entwicklung aufnimmt und kritisiert, ist in der Schweiz höchstens ein beklemmendes Schweigen spürbar. Aus Angst vor allfälligen Wahlverlusten und der direkten politischen Auseinandersetzung wird von ?Links? bis Rechts geschwiegen. Da kann der Hang der SVP zu Führerkult, Nationalismus, Autoritätsprinzip, Patriarchat, Sozialdarwinismus, Konkurrenz, Ausgrenzung,
Überwachungsstaat und Rassismus noch so deutlich erkennbar sein.
Widerstand ist nicht in Sicht: Lieber reihen sich die ?linken? Partei-StrategInnen ein in den bürgerlichen Block. Um den Rechten "den Wind aus den Segeln zu nehmen", werden aus den Reihen der "Linken" noch repressivere Massnahmen gefordert, die letzten Ideale verraten.
So werden "um die SVP zu bekämpfen", - letztlich deren Inhalte übernommen.

...und repressive Politik
Diese Politik sieht dann so aus: Menschen, die dem Leistungsdruck dieser Gesellschaft nicht standhalten, die Schwächsten dieser Gesellschaft, werden zu Sündenböcken gemacht. Sie werden für die vom kapitalistischen Wirtschaftssystem produzierten Missstände verantwortlich gemacht und bekämpft. Dass es sich dabei um
Symptombekämpfung handelt, die nie fruchten wird, da die Ursachen eben im System liegen, stört die Verantwortlichen nicht weiter. Das wollen sie ja gerade: Die Wut der Menschen soll sich gegen unterdrückte Minderheiten und nicht gegen die Herrschenden und den Kapitalismus richten.
Doch die repressiven Massnahmen haben noch einen anderen Zweck: Mit dem ausgebauten Repressionsapparat können auch alle, die Widerstand gegen dieses System leisten, eingeschüchtert und unterdrückt werden.
Wegweisungsartikel und Videoüberwachung werden in immer mehr Schweizer Städten eingeführt, MigrantInnen unter angedrohten Sanktionen zur "Integration" gezwungen, widerständige Gassenküchen verboten, Militär(material) wird zur Überwachung von SystemkritikerInnen aufgefahren, Arbeitslose als ZwangsarbeiterInnen missbraucht
(Tieflohn-Beschäftigungen). Günstiger Wohnraum und innovative Wohn-und Kulturprojekte müssen der Verwertungslogik weichen. Wer aufmuckt wird fichiert, observiert, mit Rayonverbot belegt, gebüsst, verhaftet, verprügelt, weggesperrt...

Solidarität statt Konkurrenz!
"Werthaltungen" der Bürgerlichen und inzwischen auch jene der SozialdemokratInnen decken sich absolut mit denen der extremen Rechten: Hierarchie, Besitz von Privateigentum und Konkurrenz gelten als unumstössliche Grundprinzipien.
Dies spaltet die Gesellschaft und macht uns als Individuen leichter angreifbar. So werden Klassen geschaffen und die Leute werden innerhalb der unteren Klasse gegeneinander ausgespielt, damit sie ihre gemeinsamen Interessen nicht erkennen und vertreten.
Da dienen internationale Megaevents wie die EM höchstens als Feigenblatt, um die repressive, ausbeuterische Politik in das etwas freundlichere Licht der "Völkerverständigung" zu rücken. Etwas Zuckerbrot um die Peitschenhiebe erträglicher zu machen. Dabei bleiben sogar die Zuckerbrote ungerecht verteilt. Wer bezahlen kann und über das richtige Netzwerk verfügt, darf live mitfeiern. Für die anderen bleibt vielleicht die Grossleinwand oder der Kasten zu Hause.
Beim genaueren Hinsehen erscheint hinter dem völkerverbindenden Fest halt doch wieder das bekannte Muster: Nationalismus, Rassismus, Sexismus, Spaltung, Überwachung, Repression, Verwertungslogik, Gewinnmaximierung, für viele wenig und für wenige alles - Kapitalismus halt.

Von wegen Fest für Alle!
Was wirklich für alle drin läge, wenn die Produktionsmittel nicht nur wenigen gehören, sondern von der Basis verwaltet würden, bleibt vorerst Wunschtraum. Ebenso eine Welt die auf Solidarität und Gerechtigkeit statt auf Konkurrenz und Rassismus baut. Trotzdem können und wollen wir uns nicht damit abfinden. Denn mit Mut und Willen, gemeinsam für alle Ausgegrenzten und Ausgebeuteten einzustehen, lassen
sich auch hier und jetzt viele Erfolge feiern.

Deshalb: Antifaschistische Solidarität statt nationalistische Konkurrenz!

Wir zählen auf Dich!

Falls wir nicht spazieren können: Verschiebedatum 07. Juni 2008. Infos auf Homepages und Handzetteln.


update: Bericht über den Antifa-Abendspaziergang Nr.8 in Bern
aus der Fauchrundmail 1.6.2008

Heute, 31. Mai 2008, fand der 8. antifaschistische Abendspaziergang statt. Trotz grossem Druck von Seiten der Behörden und der Politik spazierten gut 800 Personen mit und setzten damit ein starkes Zeichen gegen den Rechtsrutsch in Gesellschaft und Politik. Zunächst führte die abendliche Kundgebung durch die Altstadt, später im Abendrot über die Kornhausbrücke und durchs Breitenreinquartier.

Radikale Gesellschaftskritik ist heute wichtiger denn je.

Weltweit wütet der Kapitalismus. Menschen, Tiere und Umwelt werden gnadenlos ausgebeutet, was auch auf das Klima fatale Auswirkungen hat. Hunderttausende verarmen und verhungern, während die Reichen immer reicher werden. Kriege, in denen sich die Angehörigen der unteren Klassen gegenseitig umbringen, obwohl einzig die Herrschenden davon profitieren, überziehen den Globus. Rechtsextremismus, religiöser
Fanatismus und andere reaktionäre Ideen haben Hochkonjunktur. Auch in der reichen Schweiz erfahren immer breitere Bevölkerungsschichten direkt Sozialabbau, Lohndumping und Massenentlassungen. Die dadurch entstehende Unzufriedenheit und Wut wird von den Herrschenden geschickt auf Minderheiten gelenkt. Mit diesen Minderheiten haben wir uns heute aktiv solidarisiert.

Die Demonstration verlief durchwegs selbstdiszipliniert und kämpferisch. Am Rande des Umzugs wurden einige SVP-Abstimmungsplakate verändert. Kurz vor der Reitschule zeigte sich jedoch, dass antifaschistische Gegenwehr auch auf der Strasse immer noch bitter nötig ist. Rund 50 Rechtsextreme sammelten sich zu diesem Zeitpunkt im Bollwerk. Die Polizei liess sie trotz provokativen Posen gewähren. Da waren einige AntifaschistInnen nicht mehr zu halten. Sie vertrieben die Neonazis in Richtung Bahnhofsplatz. Die Polizei formierte sich daraufhin zwischen den Neonazis und den AntifaschistInnen. Der Besonnenheit der AntifaschistInnen und der OrganisatorInnen der Kundgebung ist es zu verdanken, dass es anschliessend NICHT, wie von Seiten gewisser Medien behauptet, zu Ausschreitungen gekommen ist.

Der heutige Abend hat gezeigt, dass antifaschistischer Widerstand immer noch dringend notwendig ist. Weiter ist festzuhalten, dass es durchaus immer noch möglich ist, unbewilligt auf die Strasse zu gehen.
Es zeigt sich einmal mehr, dass die Bewilligungsfrage nicht ausschlaggebend für den Verlauf von Kundgebungen ist. Da sich die Polizei im Hintergrund hielt und die KundgebungsteilnehmerInnen nicht provozierte, verlief alles wie geplant. Das Bahnhofsplatzfest wurde in keiner Weise tangiert. Wir halten auch weiterhin Wort und werden am 7. Juni nicht vom angekündigten Verschiebedatum Gebrauch machen.

Grossen Dank an alle, die heute mitspaziert sind, mitgeholfen haben und an all diejenigen, die sich weltweit gegen das ausbeuterische kapitalistische Wirtschaftssystem zur Wehr setzen. Es hat heute Mut gemacht! Wir werden weiterhin aktiv sein und Schulter an Schulter mit euch gegen faschistische Tendenzen kämpfen!
Auf viele weitere antifaschistische Abendspaziergänge! You'll never walk alone!

Bündnis Alle gegen Rechts

hier noch die bullennews:

News vom 31. Mai 2008

Innenstadt von Bern

Ergänzung Stand 23:05 Uhr

Die Teilnehmenden an der unbewilligten Kundgebung marschierten von der Berner Innenstadt via Kornhausbrücke durch das Breitenrainquartier über die Lorrainebrücke zur Reithalle. Bis jetzt konnten auf der Route keine Sachbeschädigungen festgestellt werden. Im Bereich Bollwerk wollte sich eine Gruppe von vermutlich Rechtsextremen in Richtung Reithalle begeben. Elf Personen dieser Gruppe wurden einer Personenkontrolle unterzogen. Im Vorfeld der Kundgebung konnte eine Person deutscher Herkunft mit Vermummungsmaterial und Pfefferspray angehalten werden.

Zwischenorientierung Stand 21:30 Uhr

Unbewilligte Antifa-Kundgebung

pkb. Am heutigen Samstagabend, an dem gleichzeitig das grosse Fest zur Eröffnung des neuen Bahnhofplatzes stattfindet, führt die Organisation Antifa eine unbewilligte Kundgebung in der Innenstadt von Bern durch. In verhältnismässiger Umsetzung des gemeinderätlichen Auftrags hat sich der Kommandant der Kantonspolizei im Interesse der Sicherheit der Menschen in der Innenstadt entschieden, die Kundgebung laufen zu lassen, solange keine Sachbeschädigungen begangen würden.

Der Gemeinderat der Stadt Bern hat am Freitag öffentlich festgestellt, dass er am Samstag unbewilligte Kundgebungen nicht akzeptiert und die Kantonspolizei beauftragt, eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit im Rahmen der Verhältnismässigkeit zu verhindern. Dies, nachdem die Organisation Antifa, die im Vorfeld des 31. Mai weder den von den Bewilligungsbehörden der Stadt Bern angebotenen Dialog erwidert noch ein Gesuch eingereicht hat.

Hohes Risikopotenzial

Da davon ausgegangen werden musste, dass

-die Aktivisten sich von der Reithalle und gleichzeitig von mehreren andern Standorten aus in Bewegung setzten (uiuiui...! das ist gefährlich!)
-sich auch unter die zahlreichen Besucher des Bahnhoffestes mischten
-Material zum Begehen von Sachbeschädigungen mit sich führten (z.B. Hände, zum abrupfen von svp-plakis, Schuhe, zum abstüpfen von Aussenspiegel)
-überall und jederzeit militante Aktionen starten konnten
-der geplante Umzug die EURO 08-Fanmeile beinhaltete

hat die Kantonspolizei Bern zusätzliche Polizeikräfte aus verschiedenen Kantonen als Verstärkung anfordern müssen.

Gestützt auf ihre Lagebeurteilung hat die Kantonspolizei den Auftrag des Gemeinderates so umgesetzt, dass primär die Sicherheit der Menschen des Bahnhoffestes zu gewährleisten sei, dann die Sicherheit der Innenstadt. Dies war am zweckmässigsten mit dem Laufenlassen der unbewilligten Demonstration zu erreichen. Der Entschluss des Kommandanten, der in engem Kontakt zu Gemeinderat Stephan Hügli steht, beinhaltet aber gleichzeitig den Befehl zur Auflösung des Zugs und die
Kontrolle der Demonstranten, sobald Sachbeschädigungen festgestellt würden.

(S):http://www.police.be.ch/site/pom_kapo_news-detail?newsid=27278&cat=tn

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