Sonntag, 19. Oktober 2008

Gegen Rassismus, Volksgemeinschaft und nationale Identität

Den Naziaufmarsch in Bochum verhindern!

Der NPD-Landesverband NRW hat für Samstag, den 25. Oktober 2008, eine Demonstration unter dem Motto „Deutsche wehrt Euch - Gegen Überfremdung, Islamisierung und Ausländerkriminalität !“ angemeldet. Das Motto der NPD-Demo ist der nationalsozialistischen Parole „Deutsche wehrt euch, kauft nicht bei Juden“ nachempfunden. Einer Parole zum sogenannten „Aprilboykott“ aus dem Jahr 1933, dem Boykott jüdischer Geschäfte. Dieser stellte die erste reichsweite antisemitische Maßnahme im Dritten Reich dar. Was darauf folgte, ist bekannt. In ihrem Aufruf hetzt die NPD gegen MigrantInnen, stigmatisiert diese aufgrund ihrer nichtdeutschen Herkunft als potenzielle Kriminelle und führt als Argumente in ihrem Aufruf Einzelfälle an, in denen “Ausländer” Straftaten an Deutschen verübt haben (sollen) und stellt darüber hinaus rassistische Übergriffe als Konstrukte der deutschen Medien dar. Es werden der Mord an einem 19-jährigen in Stolberg, der von Migranten verübt wurde, sowie ein Fall aus dem Kölner Fasching, bei dem angeblich Migranten einen Menschen ins Koma geprügelt haben sollen, als Beleg dafür herangezogen, dass Immigration zu Kriminalität führe und MigrantInnen potenzielle GewalttäterInnen seien. Empirisch versucht man erst gar keinen Nachweis über den konstruierten Zusammenhang zwischen „Ethnizität“ und „Kriminalität“ zu führen. Der rassistische Übergriff auf Ermyas M. in Potsdam, sowie die ebenfalls rassistisch motivierte Hetzjagd von 50 jungen Deutschen auf acht indische Migranten in Mügeln werden als Konstrukte von „Fernsehen, Rundfunk und Zeitungen“ dargestellt.

Dieser kulturelle Rassismus dient den Nazis als Zugpferd, um die Bevölkerung aufzuhetzen und Wählerstimmen zu gewinnen. Mit der Ethnisierung gesellschaftlicher Probleme und Konflikte wird ein Feindbild konstruiert, das man als Bedrohung für die Sicherheit, sowohl für die der Sozialsysteme als auch für die vor Kriminalität und Terrorismus, die Kultur, die nationale Identität und auch die ethnische Zukunft der deutschen Bevölkerung brandmarken kann. MigrantInnen werden als zersetzendes Element auf ‘deutschem’ Territorium beschrieben und als Lösung wird die „Rückführung“ der MigrantInnen in ihre „Herkunftsländer“ und die Idee einer deutschen „Volksgemeinschaft“ propagiert, die durch „gelebte Traditionen, gemeinsame Werte und gemeinsame Kultur“ Heimat schaffe. Das Konzept der „Volksgemeinschaft“ entstand Anfang des 20. Jahrhunderts und war später ein zentrales theoretisches und propagandistisches Element der nationalsozialistischen Ideologie. Die Volksgemeinschaft sollte eine rassisch definierte Gemeinschaft des deutschen Volkes darstellen, die Klassengegensätze und andere Widersprüche in der kapitalistischen Gesellschaft nivelliert. Real wurden diese Widersprüche im Nationalsozialismus nie aufgehoben, aber sie wurden der Volksgemeinschaft und der Nation untergeordnet. Die „Volksgemeinschaft“ ist für die NPD zwar immer noch unter anderem rassisch definiert, wie biologistisch-rasstische Zitate führender NPD-Funktionäre immer wieder belegen, allerdings kann die (wissenschaftlich widerlegte) „Rassenlehre“ aus rechtlichen und auch aus propagandistischen Gründen nicht der Legitimation der Volksgemeinschaft dienen. Hauptsächlich wird die Volksgemeinschaft kulturell definiert und legitimiert. So auch im Demo-Aufruf der NPD: „Eine lebenswerte Umgebung ist die Grundlage für Wertevermittlung und Volksgemeinschaft. Nur gelebte Traditionen, gemeinsame Werte und gemeinsame Kultur können Heimat schaffen.“ Kultureller Rassismus ist gesellschaftlich wesentlich besser anschlussfähig als der klassische Rassismus. Das liegt zum einen daran, dass seit dem Ende der NS-Zeit der auf Rassenlehre begründete Rassismus in Deutschland geächtet ist, zum anderen, dass das Konstrukt von verschiedenen kulturellen Gemeinschaften breit in der Gesellschaft verankert ist.

Laut Bundeskriminalamt ist der Anteil der „ausländischen Tatverdächtigen“ abzüglich von Straftaten, die nur sog. „Ausländer“ begehen können (z.B. gegen das Aufenthaltsgesetz), 19,4% und liegt damit nur leicht über dem Anteil der sog. „Ausländer“ an der Einwohnerzahl Deutschlands. Die leicht erhöhte Ausländerkriminalität lässt sich unter anderem mit der sozialen Schlechterstellung von MigrantInnen in Deutschland erklären. Einer Statistik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zufolge befanden sich 2005 28% aller Menschen mit Migrationshintergrund in relativer Armut, während der Anteil bei den Menschen ohne Migrationshintergrund nur bei 11,5% lag. Eine Studie den Universität Bielefeld bestätigt ebenfalls, dass die „Kultur“ nur eine geringe Rolle bei den Ursachen für Kriminalität spielt. Die Studie besagt, „dass eher die mit der eigenen bzw. familiären Migrationserfahrung zusammenhängenden Umstände als die spezielle „ethnisch“ oder „kulturell“ definierte Zugehörigkeit (unter bestimmten Bedingungen) mit Delinquenz einhergehen.“ Als eine mögliche Ursache für die leicht höhere Kriminalitätsrate für Menschen mit Migrationshintergrund werden schlechtere Bildungschancen gesehen. Zwar besagt die Studie auch, dass unterschiedliche Wertorientierungen auch zum Teil ursächlich für eine höhere Kriminalitätsrate sein können, diese können allerdings auch wieder auf soziale Benachteiligungen zurückgeführt werden. Die Zurückführung der Differenz in der Kriminalitätsrate auf ethnische Gründe, die Diffamierung von Migration als Kriminalitätsursache und die Stigmatisierung von MigrantInnen und deren Nachfahren ist auch empirisch schlichtweg falsch.

Dennoch ist kultureller Rassismus gesellschaftlich verbreitet. Dies ist auch der bürgerlichen Presse und den bürgerlichen Parteien zu “verdanken”. Antimuslimische Hetze, Panikmache vor einer real kaum vorhandenen „Terrorgefahr“, Gefasel von „deutscher Leitkultur“, „Kampf der Kulturen“ und ähnliches, was man tagtäglich von DemokratInnen zu hören bekommt, schließt nahtlos an den radikaler formulieren kulturellen Rassismus der NPD an. Ihren praktischen Ausdruck findet die Ideologie des kulturellen Rassismus sowohl in Ereignissen wie 1992 in Rostock-Lichtenhagen als Nazis und Zivilbevölkerung unter den Augen der Polizei ein Asylbewerberheim in Brand steckten, als auch in der mörderischen Abschiebepraxis des deutschen Staates.

Dass die bürgerlichen Parteien den völkischen und rassistischen Positionen nicht immer fern stehen, ist auch in Bochum sichtbar. Im letzten Jahr wurden rechtsextreme Verstrickungen von verschiedenen Funktionären der Bochumer Jungen Union, sowie der CDU öffentlich. Der CDU-Stadtrat Dirk Schmidt und der Schatzmeister der Jungen Union Bochum betrieben eine Homepage, die unter dem Titel “Bochum gegen Links” nationalkonservative bis offen völkisch-rassistische Ideologie verbreitet und sich offen auf Neonaziwebsites bezog. Schäfer hätte auch einem Einzug der NPD in den Bundestag 1969 positives abgewonnen, da dieser den “Ausverkauf der deutschen Ostgebiete” verhindert hätte und ist unter anderem deswegen Gegner eines NPD-Verbotes. Doch die Bochumer Union steckt noch viel tiefer im braunen Sumpf. Auf eineam Bayernabend der JU in Bochum ließ sich der JU-Funktionär Jens Buschkamp mit einem T-Shirt der Nazimarke Thor Steinar zusammen mit dem CDU-Landtagsabgeordnete Lother Hegemann fotografieren. Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), der seinen Wahlkreis in Bochum hat, war an diesem Abend anwesend. Lammert selbst steht offenbar rechtsextremem Gedankengut nicht fern: zu einem Veranstaltung mit dem Titel “Dialektik der Säkularisierung” lud Lammert unter anderem Roberto de Mattei, den Berater des Vorsitzenden der rechtsextremen Partei Alleanza Nazionale aus Italien im Jahr 2007 an die Bochumer Ruhr Universität als Redner ein.

Sowohl dieser Staat, der selbst mit seiner Politik gegen MigrantInnen Rassismus praktisch ausführt, als auch bürgerliche Medien und PolitikerInnen, die mit kulturell rassistischen Argumentationsmustern kapitalistische Widersprüche erklären, als eben auch die Nazis, die den Rassismus am radikalsten zuspitzen und ihm mit Gewalt, Mord und Totschlag Gesicht verleihen, sind unsere erklärten Feinde. Die Behauptungen, die die NPD in ihrem Demonstrationsaufruf aufstellt sind auf der empirischen Ebene falsch und auf der begrifflich-ideologischen Ebene rassistisch. Wir stellen der Ethnisierung des Sozialen den Kampf gegen soziale Zumutungen entgegen und der Idee der „Volksgemeinschaft“ die Idee einer Welt ohne Grenzen und Nationen. Anstatt Angst vor Minderheiten zu schüren und Sündenböcke für Phänomene zu suchen, die in erster Linie auf die sozialen Ungerechtigkeiten im Kapitalismus zurückzuführen sind, machen wir uns für einen breiten und transnationalen antikapitalistischen Widerstand stark. Rassismus, egal von welcher Seite er kommt, muss bekämpft werden. Lasst uns am 25.10. unsere kompromisslose Ablehnung gegenüber jeder Form von Rassismus auf die Straße tragen!

Kampf dem Rassismus!
Den Naziaufmarsch verhindern!
Kommt zur Antifa-Demo!

Datum: 25. Oktober 2008
Ort: Bochum Hauptbahnhof (Vorplatz)
Zeit: 10 Uhr

Antifaschistische Jugend Bochum (http://ajb.blogsport.de)
Azzoncao, ein Polit-Café
Antifaschistische Jugend Hattingen/Sprockhövel
Autonome Antifa Castrop-Rauxel
Antifa Witten
Attac Campus Bochum
FAU Dortmund
Freiraumtanz Bochum
Rote Antifa Duisburg

(National-, Partei- und Religionsfahnen sind natürlich nicht erwünscht)

Internet Aufruf als PDF
Flugblatt als PDF

Aktuelle Infos: Antifaschistische Jugend Bochum

1 Kommentar:

Wilde 13 hat gesagt…

Auch Nazis können Bochum sein - ein Exempel

Wer von so genannter „Ausländerkriminalität“ reden will, sollte die Zunahme von rassistisch und faschistisch motivierten (Gewalt-)Delikten nicht übersehen. Doch davon wollen die NPD NRW und Claus Cremer, dessen letzter Prozess wegen Landfriedensbruch noch einmal „glimpflich“ ausgegangen ist, natürlich nichts hören. Und wahrscheinlich äußerst ungelegen für Cremer und die NPD kam der Hausbesuch bei seiner Lebensgefährtin Wegener im Zuge der Durchsuchungswelle gegen die HDJ in der vergangenen Woche. Gerade jetzt, kurz vor dem „Höhepunkt“ ihrer menschenfeindlichen Kampagne „Ausländerstopp -NRW“, geraten sie ins Fadenkreuz des von ihnen so verhassten „Systems“. Und auch am Donnerstag dieser Woche (16.10.) gab es wieder ein Kasperletheater vorm Amtsgericht Bochum zu bestaunen. Robin B., ein 25jähriger Arbeitsloser aus Bochum spazierte vor ein paar Wochen, „ermutigt“ durch eine Flasche Sangria, über die Schmechtingswiesen und konnte seine Abneigung gegen ebenfalls dort spazierende Migranten nicht zurückhalten. Mit den Worten „Verpisst euch!“ und „Scheiß Ausländer!“ begegnete er ihnen und garnierte seine „Meinungs- äußerung“ mit der Zurschaustellung von Hakenkreuz und SS-Runen, die auf einem seiner Unterarme als Brandings verewigt sind. Unmittelbar nach diesem Vorfall wurde er von der Polizei verhaftet und in die Ausnüchterungszelle gesteckt. Auf der Wache hatte er die Vorwürfe bereits gestanden und sich „entschuldigt“, doch von einer Hauptverhandlung (Aktenzeichen 33 Ds 435/08) sollte er nicht verschont bleiben. Mangels Anwalt konnte er sich nur mühselig mit den Argumenten verteidigen, das Verfahren sei schier ungerecht, weil er ja schließlich unmittelbar nach seiner Tat auch verkloppt worden sei (von unbekannten Personen). Und dass er seine Taten auch ganz bestimmt nicht wiederholen würde. Völlig unverständlich war ihm dies, und so mussten die junge Staatsanwältin und die Richterin Schmidt ihm wiederholt erklären, dass es verboten ist, mit nationalsozialistischen Abzeichen herumzustolzieren. Diese „Lektion“ soll er jetzt in der Verbüßung einer 3jährigen Bewährungszeit (ansonsten 3 Monate Knast) und der Ableistung von 60 Sozialstunden lernen. Zu seinen Gunsten wurde sein damaliger Alkoholspiegel gewertet, gegen ihn sprachen allerdings seine noch immer nicht vergoltenen Geldstrafen, die er vor zwei Jahren wegen Beleidigung, Bedrohung und Sachbe- schädigung kassiert hatte.


Völlig außen vor blieben im Übrigen die Vorwürfe der Betroffenen, nach denen Robin B. sie mit den Worten „gleich hol ich mein Messer“ bedroht haben soll.


Dieses Verfahren darf vielleicht als Exempel genommen werden für die stetig sinkende Hemmschwelle zur Aggression (und letztlich Gewalt), der aus einfachem Hass auf ganze Bevölkerungsgruppen, und gegen einzelne „Stellvertreter“ derselben, freien Lauf gelassen wird. Es steht für die vielen Verfahren gegen einzelne rassistisch motivierte Täter, deren Fälle sich auf dem Schreibtisch z.B. der Staatsanwaltschaft Bochum häufen.


Allgemein gesagt dürfte klar sein, dass die strafrechtliche Verfolgung gegen solche „Gesinnungs“-Täter nie wirklich gefruchtet hat und es auch nicht wird. Mal ganz abgesehen davon, dass es die Justiz häufig schlichtweg überhaupt nicht interessiert, welch manifestes Motiv hinter solchen Übergriffen steht. Der Paragraph 86a (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) ist viel zu kurz gegriffen und dient bis heute gewiss bei vielen zur Beruhigung ihres „antifaschistischen“ Gewissens (nach dem Motto „der Staat und die Justiz hält die Rechten bestimmt schon im Griff“).


Und so gilt es stattdessen jeden Tag – und erst recht auf Demon- strationen – dem sich mal subtil, mal symbolgewaltig bis gewalttätig gebärenden Rassismus entgegenzustellen (sprich: zu intervenieren). Sowohl in der „Mitte der Gesellschaft“, als auch am stumpfsten rechten Rand.


Anlass genug aufzustehen, sich hinzusetzen und zu blockieren, bietet die NPD-Demonstration am Sa., den 25.10. in Bochum. Hiergegen wendet sich ein Bündnis aus autonomen antifaschistischen Gruppen aus dem Ruhrgebiet, die für 10.00 Uhr am Bochumer HBF zu einer Gegen-Demonstration aufrufen.


Kein Zuckerschlecken für Nazis aus Bochum und sonst woher!
Nicht am 25. Oktober und sonst wann!


Quelle: Indymedia, 17.10.08