Freitag, 21. März 2008

Solidarität mit den neuseeländischen Angeklagten

aus der Fauchrundmail 21.03.2008

Liebe Freund_Innen, liebe Genoss_innen,

in einer Welle massiver staatlicher Repression haben am Montag, den 15 Oktober 2007 mehr als 300 paramilitärische Polizeikräfte 40 Häuser und Projekte in Neuseeland durchsucht und 17 Menschen verhaftet. Die Durchsuchungsbeschlüsse wurden auf Basis des "Arms Act" (Waffengesetz) und des "Terrorism Suppression Act (TSA)" (Anti-Terrorrismusgesetz)

vorgenommen. Dies ist das erste mal, dass der TSA zur Anwedung gekommen ist. Weitere Vehaftungen folgten am 19 Februar 2008.

Alle sind jetzt auf Kaution frei, und es werden keine Anklagen unter dem Anti-Terrorrismusgesetz erhoben. Allerdings sind 19 Menschen - von Tuhoe, Te Atiawa, Nga Puhi, Maniapoto (indigene Stämme) und Pakeha (Europäer); indigene Aktivist_innen, Anarchist_innen, Anti-Kriegs- und Umweltaktivist_innen - immer noch wegen verstossen gegen das Waffengesetz angeklagt. Die Staatsanwaltschaft hat erreicht, dass alle Verfahren zusammen in Auckland verhandelt werden, obwohl die Mehrzahl der Angeklagten mehrere hundert km entfernt wohnt.

Wir sind nun auf finanzielle und politische Unterstützung angewiesen. Wir brauchen dringed Geld für die ein-monatige Unterkunft während des Vorprozess in Auckland im September, für Transportkosten und die politische Kampagne.

Wir haben eine Powerpoint Presentation zusammengestellt und hoffen, dass Gruppen im deutsch-sprachigen Raum Solidaritätsveranstaltungen organisieren können. Ein Soli-Konzert in Basel (Schweiz) im Dezember brachte schon mal fast 1000 Euro in unseren Soli-Kasse!

Falls deine Gruppe, dein Hausprojekt, dein Freundeskreis sich mit unserem Kampf solidarisieren will, nehmt Kontakt auf:
info@october15thsolidarity.info

Solidarität ist eine Waffe!


In diesem Sinne,
solidarische Grüsse,

October 15th Solidarity Wellington
20. März 2008


1. Staatliche Repression in Aotearoa/Neuseeland
2. Grussbotschaft an das Demobündnis Antirepressionskampagne Hamburg
3. Mehr Informationen


1. Staatliche Repression in Aotearoa/Neuseeland

In einer Welle massiver staatlicher Repression haben am Montag, den 15 Oktober 2007 mehr als 300 paramilitärische Polizeikräfte 40 Häuser und Projekte in Neuseeland durchsucht und 16 Menschen verhaftet. Durchsucht wurden Häuser in Auckland, Whakatane, Ruatoki, Hamilton, Palmerston North, Wellington und anderen Orten der Nordinsel sowie in Christchurch auf der

Südinsel.

Die Durchsuchungsbeschlüsse wurden auf Basis des "Arms Act" (Waffengesetz) und des "Terrorism Suppression Act (TSA)" (Anti-Terrorrismusgesetz) vorgenommen. Dies ist das erste mal, dass der TSA zur Anwedung gekommen ist.

Jede_r Verhaftete wurde zunächst wegen mehrer Vergehen gegen das Waffengesetz angeklagt. Die Polizei (die in NZ die Anklage vertritt) behielt sich vor, weitere Anklagen zu erheben, auch unter dem TSA, wofür die Genhemigung des Solicitor General (General-Staatsanwalt) erforderlich

war. In den folgenden Tagen wurden viele Menschen von der Polizei verhört und weitere Wohnungen durchsucht. Die Verhafteten sind in Tino-Rangatiratanga- (Maori Selbstbestimmung), Anarchismus-, Anti-Kriegs-oder Umweltbewegungen aktiv.

Die Verhaftungen waren das Ergebnis einer breitangelegten, 18-monatigen Überwachungstätigkeit, die neben Telefon- und Handyüberwachung auch das Abhören von Fahrzeugen und Wohnungen einschloss. Die Polizei wirft den Angeklagten vor, an sogenannten "Terrorismus-Trainingcamps" im bergigen Urewera-Gebiet im Nordosten der Nordinsel teilgenommen zu haben. Das Gebiet wird auch Tuhoe Country genannt, nach dem Maori-Stamm, der dort beheimatet ist. Die Angeklagten hätten Bombenanschläge und Attentate geplant, um die Unabhängigkeit der Tuhoe vom Neuseeländischen Staat zu erreichen.

Der prominente Tuhoe-Aktivist Tame Iti wurde als erster um 4 Uhr morgens verhaftet. Um 6 Uhr wurden die beiden autonomen Zentren "A Space Inside" in Auckland und "128 Community Centre" in Wellington durchsucht. In Tuhoe Country wurden die Ortschaften Ruatoki und Taneatua von bewaffneten Polizeieinheiten über mehrere Stunden abgeriegelt. Sämtliche Fahrzeuge

wurden kontrolliert und die Insassen fotografiert. Häuser wurden durchsucht und deren Bewohner_innen verhört.

Während der ersten Woche wurden die Gefangenen, die in Untersuchungsgefängnissen überall im Land einsassen, nach Auckland transportiert, um der Anklage die Arbeit zu erleichtern. Damit waren die Angeklagten von ihren Unterstützer_innen, Familien und Freund_innen getrennt. In den ersten zwei Wochen wurden vier Gefangene unter Auflagen freigelassen und am 1. November wurden zum ersten mal alle Angeklagten gemeinsam in Auckland dem Haftrichter vorgeführt. Unmittelbar vor der Anhörung gab die Polizei bekannt, dass beantragt werden würde, gegen 12

der 16 Anklage unter dem Terrorism Suppression Act zu erheben. Während der Anhörung wurden zwei weitere Angeklagte freigelassen, sodass noch 8 Männer und 2 Frauen inhaftiert waren.

Am 8. November gab der Solicitor General David Collins bekannt, dass er keine Genehmigung erteilen werde, Anklage under dem Terrorism Suppression Act zu erheben, da die Beweislage nicht ausreiche. Die Anklagen wegen Verstössen gegen das Waffengesetz blieben jedoch bestehen. In den folgenden drei Tagen wurden die restlichen Inhaftierten unter Auflagen freigelassen. Sofort nach der Entscheidung des Solicitor General begann die Polizei damit, gezielt ausgewählte Teile des Beweismaterials an die bürgerlichen Medien durchsickern zu lassen. Dabei handelt es sich um

Material, das durch Überwachungsmethoden gewonnen wurde, die zwar unter dem TSA zugelassen sind (z. B. Abhören einer Wohnung), nicht aber unter dem Waffengesetz, und die nicht mehr vor Gericht verwendungsfähig waren, nachdem die Anklagen unter dem TSA fallengelassen worden waren. Es handelt sich also um den eindeutigen Versuch der Polizei, die öffentliche Meinung gegen die Angeklagten zu beeinflussen und damit ein faires Verfahren in einem Geschworenenprozess zu verhindern.

Obwohl alle 16 mittlerweile auf freiem Fuss sind, unterliegen sie scharfen Bedingungen: einige dürfen keinen Kontakt zu ihren Mitangeklagten (und teilweise engsten Freund_innen) haben und müssen sich mehrmals wöchentlich bei der Polizei melden, andere haben Ausgangssperre. Einige haben durch die Verhaftung ihre Wohnungen verloren, einigen wurden fast alle persönlichen Gegenstände konfisziert, was enorme finanzielle und emotionale Auswirkungen hat. Die Anklagen unter dem Waffengesetz können immer noch zu mehrjährigen Haftstrafen führen und die Gerichtsverfahren können sich über mehrere Jahre hinziehen und beinhalten zigtausende Seiten Beweismaterials.


Hintergrund

"Ich weine um das, was gerade in Maungapohatu geschehen ist. Bei der Razzia scheint es sich um eine Strafaktion gegen Kenana zu handeln, der er es gewagt hat, die Krone herauszufordern, die uns zurückwirft in den Nebel von Angst und Zweifel.... Ich frage mich, ob wir jemals aufhören werden, uns Sorgen zu machen, dass so etwas wieder passiert."
Karaitiana Rarere - Ngati Kahungunu, 1916

Für Maori, die indigene Bevölkerung von Aotearoa/Neuseeland und für Tuhoe im Besonderen ist Repression und Gewalt durch den Kolonialstaat nichts Neues. Der im Zentrum der Polizeiermittlungen stehende Stamm der Tuhoe hat den Vertrag von Waitangi (*), den die Regierung benutzt, um ihre Macht im Land zu legitimisieren, nie unterschrieben. In Tuhoe Country gibt es mehr Menschen, die Maori als erste Sprache sprechen, als irgendwo sonst im Land. Tuhoe haben immer ihre Unabhängigkeit bewahrt und sind deshalb immer vom Staat als Bedrohung angesehen worden.

1867 hat die Britische Kolonialregierung weite Landstriche der Tuhoe, einschliesslich des Zugangs zum Meer, konfisziert als Bestrafung für die angebliche Beteiligung an der Ermordung eines Missionars. Seitdem haben Tuhoe keinen Zugang mehr zur Küste und damit zu ihren Fischgründen.

Ausserdem wurde ihnen fast alles fruchtbare Land genommen.

Um 1916 waren viele Tuhoe in die Nähe des Ortes Maungapohatu gezogen, wo ein Mann names Rua Kenana einen neuen Lebensstil gepredigt hat, der sich gegen eine Beteiligung am ersten Weltkrieg und gegen die Wehrpflicht gerichtet hat. Das war zuviel für den Staat und er griff an. Es gab zwei Tote und mehrere Verwundete und Kenana wurde gefangengenommen.

Kenana verbrachte zwei Jahre im Gefängnis, obwohl er vom Vorwurf des Verrats freigesprochen wurde. Die friedliche Gemeinde, die er gegründet hatte, hat sich nie davon erholt.

Die Tuhoe sind aber widerspenstig geblieben. Vor einigen Jahren begannen Verhandlungen mit dem Waitangi-Tribunal (**) über die Rückgabe von konfisziertem Land und Kompensation für erlittenes Unrecht. Während einer Anhörung des Tribunals im Jahre 2005 hat Tame Iti, einer der jetzt Angeklagten, während einer "Willkommens-Zeremonie" auf die Neuseeländische Flagge geschossen und wurde wegen illegalen Waffengebrauchs angeklagt und später freigesprochen. Dieses Ereignis war Teil einer Inszenierung, die die Mitglieder des Tribunals in die Rolle der Tuhoe versetzen sollte, wobei die Teilnehmer_innen an brenneden Autowracks vorbeigeleitet wurden.

"Wir wollen, dass sie die Hitze und den Rauch fühlen und die Empörung darüber, wie wir 200 Jahre lang behandelt worden sind. Die Regierung hat die Häuser der Leute zerstört und die Felder niedergebrannt und wir wollten gestern erreichen, dass sie das spüren. Wir wollten, ihnen zeigen, wie es sich anfühlt, machtlos zu sein." Tame Iti - Tuhoe, 2005.


(*)Vertrag von Waitangi

Der 1840 unterschriebene Gründungsvertrag des neuseeländischen Staates, in dem die unterzeichnenden Stämme Teile ihre Autonomie aufgeben zugunsten der britischen Staatsbürgerschaft. Diskrepanzen zwischen der englischen und der Maori- Version des Dokuments sind bis heute Streitpunkt. Die englische Version sieht eine wesentlich weiterreichende Aufgabe der Autonomie vor, als die Maori-Version, in der lediglich von der Übertragung der Regierungsgeschäfte die Rede ist, nicht aber von der Aufgabe der Ländereien.


(**)Waitangi-Tribunal

In den 70er Jahren eingeführte Regierungskommission, die Ansprüche der Maori auf Landrückgabe oder Kompensation anhört und entsprechende Empfehlungen an die Regierung erstellt.


2. Grussbotschaft an das Demobündnis Antirepressionskampagne Hamburg

Liebe Genossinnen und Genossen,

wir, eine Gruppe aus Wellington (die 'Urewera 17 Support Group'), Aotearoa (Neuseeland), solidarisieren uns mit euch und eurer Demonstration am Samstag, 15. Dezember 2007 in Hamburg.

Die aktuellen Ereignisse in Deutschland sind nicht in Isolation zu betrachten. Vielmehr stehen sie im globalen Kontext der sogenannten "Terrorismusbekaempfung". Diese mündet in einer demokratiefeindlichen Gesetzgebung und zielt in erster Linier auf die Bekämpfung emanzipatorischer und Befreiungsbewegungen ab. Die wegen "Terrorismusverdachts" durchgeführten Razzien gegen G8-Gegner_innen im Mai dieses Jahres, die aktuellen 129a-Verfahren und die Verhaftung von 17 indigenen Aktivist_innem und Anarchist_innen in Neuseeland am 15. Oktober 2007 stehen in diesem Zusammenhang.

Unsere Genossinnen und Genossen sind nach 4 woechigem Knastaufenthalt aus der Untersuchungshaft entlassen worden und eine Anklage unter dem Anti-Terror Gesetz wird nicht zu Stande kommen. Mit Freude nehmen wir zur Kenntnis, dass auch Axel, Florian und Oliver kurz darauf wieder auf freiem Fuss sind.

Der Kampf geht weiter. Eine sichere Gesellschaft erreichen wir nicht durch Repression und Polizeistaat, sondern erst wenn die Idee - "Jede_r nach ihren/seinen Faehigkeiten, jede_r nach ihren/seinen Beduerfnissen!" - Realitaet wird.

:: Drinnen und Draussen - ein Kampf!
:: Solidaritaet ist eine Waffe!

In diesem Sinne,
solidarische Gruesse,

Urewera 17 Support Group
12. Dezember 2007, Wellington, Aotearoa


Fotos von der Soli-Aktion vor der Botschaft der BRD in Wellington

(15.12.2007): http://indymedia.org.nz/newswire/display/74582/index.php



3. Mehr Informationen


www.October15thSolidarity.info/de | www.indymedia.org.nz | www.tuhoe.net |
http://ch.indymedia.org/de/2007/10/53621.shtml |

http://de.indymedia.org/2008/03/210793.shtml



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