Artikel erschienen Von Tomasz Konicz, Poznan in der Jungen Welt
Südpolnische Zeche Budryk bleibt besetzt. Kumpel seit über sechs Wochen
im Streik für Lohnangleichung. Teile von ATTAC-Polen auf neoliberalen
Abwegen
Nach mehr als 40 Tagen eines erbittert geführten Arbeitskampfes spitzt
sich die Lage in der schlesischen Kohlezeche Budryk zu. Fast alle
Beschäftigten aus dem produzierenden Bereich des Bergwerks befinden sich
seit dem 17. Dezember im Ausstand, um eine Angleichung ihrer Löhne an
die des Bergbaukonzerns JSW durchzusetzen, der die hochprofitable,
staatliche Zeche Budryk übernehmen will. Nach Auskunft des
Gewerkschafters Krzysztow Labadz gegenüber jW halten an die 500
Bergarbeiter das Betriebsgelände besetzt, über 150 davon 700 Meter unter
Tage. 35 Kohlekumpel befinden sich im unbegrenztem Hungerstreik.
Streikbrecher im Einsatz
Am 25. Januar scheiterte eine weitere Verhandlungsrunde zwischen der
Geschäftsführung von JSW und Gewerkschaftsvertretern der linken,
kämpferischen Gewerkschaften »Sierpien 80« (August 80) und »Kadra«, die
hauptsächlich den Ausstand organisieren. Die Gewerkschafter hatten sich
zunächst bereiterklärt, ihre Löhne lediglich an die besonders niedrigen
Entlohnungen in dem Konzernbergwerk Krupinski angleichen zu wollen. Doch
der Vorstandsvorsitzende von JSW befand, die Entlohnungen dort seien gar
nicht so niedrig. Darauf »haben wir uns entschlossen, wiederum den im
gesamten Konzern JSW üblichen Durchschnittslohn zu fordern,« erklärte
der Vorsitzende von Kadra, Grzegorz Bednarski.
Am Montag dann schlug die Betriebsleitung zurück, indem sie etwa hundert
Streikbrecher anstiftete, auf das Betriebsgelänge vorzudringen und einen
»Versuch zu unternehmen, die Arbeit wieder aufzunehmen,« wie es
beschönigend in Presseberichten hieß. Der Vorstoß konnte von den
Streikenden abgewehrt werden, doch die Betriebsleitung kündigte weitere
solcher Aktionen an. Überdies wurden Polizeikräfte in der Nähe der Zeche
zusammengezogen.
Die Streikenden sind einer andauernden, äußerst aggressiven Medienhetze
ausgesetzt, die in reißerischen und manipulativen Artikeln und Berichten
Halbwahrheiten, Verzerrungen oder notfalls glatte Lügen über die
Streikenden und ihre Gewerkschaften verbreitet. Alle liberalen Medien,
wie die Gazeta Wyborcza, die während der Regentschaft der konservativen
Kaczynski-Zwillinge jeden Streik bejubelten, unterstützen nun
bedingungslos die harte Haltung ihrer neoliberalen Administration um
Premier Donald Tusk. Dabei tat sich die Journalistin Maria Trepinska vom
Unternehmensportal »Plus Biznesu« hervor, die den Gewerkschaftlern
»Bereicherung« auf Kosten »hungernder Bergarbeiter« vorwarf. Für
derartig plumpe Spaltungsversuche sowie etliche Jubelarien auf die
Privatisierung im polnischen Bergbausektor wurde Trepinska von der
Citibankgruoup mit dem »Excelenz Journalistic Award« ausgezeichnet.
Doch es ist nicht nur die nahezu hegemoniale Journaille Polens, die sich
hetzerisch betätigt. Auch Teile von ATTAC-Polen machten mit. Das zur
Gewerkschaft »Solidarnosc« gehörende ATTAC-Vorstandsmitglied Marek Szolc
forderte in einem Artikel die Sicherheitskräfte auf, auf dem
Zechengelände zu intervenieren. Einige Tage später ließ sich der
»Globalisierungskritiker« mit einer Gruppe von Streikbrechern vor der
Zeche Budryk vom polnischen Fernsehen filmen. Gegenüber junge Welt
verteidigte Szolc seinen Standpunkt und erklärte unter anderem, Streiks
seien »immer eine letzte Waffe«, und daß man auch wissen müsse, »wie ein
Streik zu beenden sei«. Überhaupt gefährde der Ausstand die Bergleute.
»Private Meinung«
Der Polen-Beauftragte von ATTAC Deutschland, Norbert Kollenda, äußerte
Unverständnis ob dieser Haltung: »Ich kann es nicht nachvollziehen, wie
ein Gewerkschafter, egal wie er zu diesem Streik steht, fordern kann,
Polizei gegen streikende Arbeiter einzusetzen.« Politisch sei zu fragen,
was für eine Geisteshaltung dahinter stehe - »merken sie etwa nicht, daß
sie den neoliberalen Eliten zuarbeiten?« rätselte Kollenda. Offiziell
will ATTAC-Polen, das äußerst enge Kontakte zum Warschauer Büro der
Rosa-Luxemburg-Stiftung unterhält, keine Erklärung zu dem Streik in
Polen abgeben" die Äußerungen Szolcs werden als »dessen private
Meinung« bezeichnet.
Unterdessen wandten sich die ATTAC-Vorstandsvorsitzende Ewa Ziolkowska
mitsamt Vorstandsmitglied Poitr Kawiorski mit mehreren Mails an linke
deutsche Gruppen und Parteien, in denen sie den Streik kritisieren, die
Halbwahrheiten der polnischen Presse wiederholen sowie als
»Argumentationshilfe« polnische Presseartikel beilegen, hier
ausgerechnet den unsäglichen Artikel von Trepinska aus dem
Unternehmerportal »Plus Biznesu.«
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