Samstag, 18. Oktober 2008

Öffnet mehr Casinos!

von Jörn Schulz aus der Jungle World 16. Oktober 2008, 14.36 Uhr

Überall ist nun vom Ende des Casino-Kapitalismus die Rede, von Zockern, die an allem Schuld sind. „Das Casino schließen!“ fordert attac. Doch das ist eine falsche Forderung, und es ist eine sehr unfaire Beurteilung des ehrlichen Glücksspiels. Wenn Sie sich an den Roulettetisch setzen, können Sie sich ihre Gewinnchancen genau ausrechnen. Sie sehen, wohin die Kugel rollt, wie die anderen Mitspieler setzen und was der Croupier tut. Eine solche Transparenz lässt der Markt für Finanzderivate leider vermissen.

Wenn Sie sich für das Pokern entscheiden, können Sie nicht mehr alles berechnen, denn Sie wissen ja nicht, was Ihre Mitspieler auf der Hand haben. Doch ein Full House ist immer ein Full House, sein Wert ist stabil, unbelastet von Hypotheken, die rund um den Globus weiter verkauft werden. Wenn Sie gewinnen, muss deshalb, anders als bei lukrativen Börsen- oder Warentermingeschäften, niemand zum Arbeitsamt gehen oder hungern. Vermutlich profitieren sogar einige Lohnabhängige, denn es gehört zu den Benimmregeln im Casino, ein großzügiges Trinkgeld zu geben, wenn man viel gewonnen hat. Wenn Sie allerdings verlieren, ist das Geld weg, da nützt alles Jammern nichts, die Merkel gibt es Ihnen nicht wieder. Um sich im Casino zu ruinieren, müssen Sie sich das Geld jedoch anderswo leihen. Die Spielbank wird Ihnen allenfalls dann einen Kredit einräumen, wenn absolut sicher ist, dass Sie ihn umgehend zurückzahlen können.

„Man muss das Finanzcasino schließen“, fordert Oskar Lafontaine. Er sollte lieber mal am Nachbau des La Fontaine des Mers vorbei ins Casino Paris Las Vegas gehen, um sich weiterzubilden. Denn dort und in anderen Casinos gibt es bereits alles, was das Herz des sozialdemokratischen Reformisten begehrt: Transparenz, klare Regeln, Stabilität, soziales Engagement, Eigenverantwortung und Risikobegrenzung.

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