Samstag, 9. Februar 2008

Kritik und Krise - Der Anfang des Marx´schen „Kapital“ und das Ende der kapitalisierten Gesellschaft. Vortrag und Diskussion mit Joachim Bruhn

Wahrheit ist objektiv, nicht plausibel“: Dies Diktum Theodor W. Adornos scheint der tatsächliche Grund zu sein, warum weder die offizielle bürgerliche Gesellschaft noch ihr linker, insbesondere nicht ihr universitärer Begleitservice mit der Kritischen Theorie sonderlich viel anfangen mögen. Daß das Denken in der Interpretation des Vorfindlichen zu gründen habe, daß das Denken es daher auch nicht weiter bringen kann als bis zur Meinung, und, wenn’s gut geht oder die Staatsmacht dahintersteht, zum Konsens und zum Einverstandensein, gilt allseits als abgemacht. So massiv ist der „Schein der Tatsachen“ (Marx) geworden, daß seine gesellschaftliche Konstitution als unerreichbar gilt und schon der Anspruch darauf als autoritärer Dogmatismus. Das Ergebnis ist danach: wo Vernunft, deren Thema nur eben die Konstitution des Gesellschaftlichen sein kann, auf bloßen Verstand reduziert wird, da macht sich die Bauernschläue von Intellektuellen breit, die ihr Denkprodukt mit erlesener Raffinesse am Markt zu behaupten wissen. Die Widersprüche, gar: die Antinomien, in die sie verfallen, kümmern nicht weiter: eben dies ist ja der Sinn von Ideologie als der Rationalisierung des Widersinnigen. Der Marxsche Begriff der Kritik dagegen gründet in der ungeschmälerten Erfahrung des logischen Widerspruchs und im Vertrauen auf die Objektivitätsmächtigkeit des Denkvermögens, d.h. in subjektiver Vernunft, die ihre bloße Subjektivität keinesfalls als Vorwand nimmt, sich zu relativieren. Denn der Begriff von Wahrheit, den diese Kritik nur haben kann, ist in der notwendigen Krise, im Untergang und im Zusammenbruch des Kapitalverhältnisses als einer unmöglichen Vergesellschaftungsweise angelegt: indem die Kritik die Krise kategorial antizipiert und in jeder ihrer Aktionen polemisch ausdrückt, kommt ihr ihre eigene Objektivität entgegen.

Joachim Bruhn (ISF, Freiburg). Gemeinsam mit Jan Gerber hat er gerade den Band „Rote Armee Fiktion“ herausgegeben (Freiburg: ça ira 2007); demnächst erscheint bei ça ira die 2., erw. Auflage seines Buches „Was deutsch ist. Zur kritischen Theorie der Nation“.

Eine Veranstaltung der antifa3D in Kooperation mit dem Bildungswerk der humanistischen Union Essen.

Mo., 18.2.2008, 19.00 Uhr, Havanna Duisburg, Musfeldstr. 26, Nähe Dellplatz,
Eintritt frei

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